Die Große Irische Hungersnot



Wir stehen nun vor einem sehr ernsten Kapitel irischer Geschichte.
Von der Schwere her lastet es ungefähr so auf den Iren wie das Dritte Reich auf den Deutschen. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, daß das Dritte Reich von den Deutschen verschuldet wurde. Die Irische Hungersnot wurde durch die Politik eines anderen Staates, nämlich Großbritanniens, verursacht. Freilich, man kann dies nicht beweisen, aber es gibt doch ziemlich sichere Zeichen, auf die wir aber erst später zu sprechen kommen werden.

Begräbnis während der Großen Hungersnot
Illustrated London News am 13. Februar 1847
In früheren Zeiten war die irische Bevölkerung sehr arm. Sie lebte auf Höfen, die ihnen durch diskriminierende "Katholikengesetze" der britischen Regierung nicht gehören durften. Ein katholischer (also fast jeder) Bauer durfte weder hohe Ämter bekleiden, noch Land besitzen! Also baute man Hütten, um die jeweils ein kleines Feld herum war und die sehr hohe und vor allem dauernd steigende Pacht kosteten. In erster Linie mußten die Bauern also für den Grafen, den Landlord, arbeiten. Das System war natürlich ausgeklügelt, da es normalerweise funktionierte. Die oft achtköpfigen Familien hatten gerade so viel, daß es ihnen möglich war, zu überleben.

Nun war es so, daß natürlich die billigsten und nahrhaftesten Früchte angebaut wurden. Auf diese beiden Kriterien traf die Kartoffel bestens zu: Sie war sättigend und nicht so teuer wie z.B. Getreide. Jeder Bauer baute also alljährlich seine Kartoffeln an. Auf einmal hatte einer eine Kartoffelkrankheit, die auf seinem Feld wütete. Dazu stelle man sich eine Reihe stehender Dominosteine vor: Stößt man einen an, fällt dieser gegen den nächsten, der wiederum gegen seinen nächsten, bis alle Steine liegen. Zusätzlich fällt jeder Stein schneller als sein Vorgänger. Genauso war es auch auf Kartoffelfeldern. Ein Bauer in der Grafschaft Waterford hatte den Pilz und bald hat es auch der in Nord-Donegal. Dies ist das gefährliche Prinzip der Monokultur!

Im Sommer des Jahres 1845 wurde in Teilen Europas ein bisher unbekannter Kartoffelpilz namens Phytophthora Infestans festgestellt. Bald war dieser in Südengland und vermutlich über Handelsschiffe nach Waterford (Port Láirge) gekommen. In elf Grafschaften wurde die Ernte fast vollständig vernichtet!

Im nächsten Jahr 1846 kam eine große Dürre über alle Hungerländer und tötete den Pilz - außer in Irland! Dort regnete es und gab dem Pilz Gelegenheit, sich auf das ganze Land zu verbreiten. Das war die Basis für die Hungersnot, die noch drei Jahre dauern würde! Das Volk war vollkommen geschwächt und verunsichert, hatte es doch schon viele "partielle Hungersnöte" erlebt, die nur einen Teil des Landes angriffen und meist nur ein Jahr lang wüteten. Diese Hungersnot jedoch wurde von Jahr zu Jahr schlimmer! Der Höhepunkt war aber erst im Anmarsch!

Im Februar des Jahres 1847 kam ein furchtbarer Wintereinbruch, der Schneehöhen von bis zu zwei Metern und teils zehn Grad unter Null brachte. Die häufig von ihren Grafen vertriebenen Familien zogen hungernd - der Schnee verdeckte ja alles - und oft krank über die Landstraßen, wo ihnen Sturm und schlechte Sicht das Letzte gaben. Die Armenhäuser waren mittlererweile überfüllt und die Lebensbedingungen für die, die einen Platz ergattert hatten, sehr schlecht. Aus unerklärlichem Grunde verschlechterte sich die Hungerpolitik Großbritanniens zu allem Überfluß rapide: Man erhöhte die Exportrate von irischem Getreide nach England, was zu Überfällen irischer Bauern auf Getreidetransporte führte.

Als Reaktion auf den Hungerwinter 1846/47 erfand die Regierung, was man ihr zu Gute halten muß, sogenannte "Suppenküchen". Die Armen konnten sich dort umsonst nahrhafte Suppe beschaffen. Da dies aber von stattlicher Seite nur an wenigen Orten stattfand und sich auch die Zahl der Grafen und Kirchen, die sich der Aktion angeschlossen hatten, in Grenzen hielt, waren Warteschlangen, in denen man zum Teil über sechs Stunden lang stehen mußte, die unweigerliche Folge.

Suppenküche 1847
Illustrated London News am 16. Januar 1847


Nach einer halbwegs akzeptablen Ernte 1847 und zwei Komplettvernichtungen durch den Pilz 1848 und 1849 sah man die haarsträubenden Folgen der Katastrophe: 1.000.000 Iren (!) waren jämmerlich in ihren Hütten, auf der Straße oder im Armenhaus zu Grunde gegangen, 1.000.000 Iren (!) waren nach England und Amerika ausgewandert und auf den überfüllten Auswandererschiffen gestorben. Die Irische Hungersnot war eine der größten Katastrophen, die sich jemals auf der Welt ereignet haben!

Familie beim Suchen nach eßbaren Kartoffeln während der Hungersnot
Illustrated London News am 22. Dezember 1849